Pekings Stadtmauer

Letzte Aktualisierung am 12. Juli 2021

Pekings Stadtmauer steht in den Reiseführern oft ziemlich weit hinten, anders als es bei den Stadtmauern von z.B. Xi’an oder Datong der Fall ist. Bei „Mauer“ denkt man in Peking natürlich auch an die Große Mauer und nicht an die wenigen Überreste der Stadtmauer. So hat es denn auch bis zu diesem Osterwochenende gedauert, bis ich mir das mal näher angeschaut habe. Dafür war ich dann aber auch gleich zweimal dort. Daran vorbeigefahren bin ich schon oft, der Wachturm an der Ecke, auch Fox Tower genannt, liegt unübersehbar direkt am 2. Ring. Abends ist die Ecke hübsch beleuchtet.

Der Stadtmauerpark – Ming City Wall Relics Park

Der Park ist verglichen mit anderen Pekinger Parks recht klein, dazu verkehrsgünstig gelegen: eigentlich nur ein 1,5 Kilometer langer, sehr breiter Grünstreifen zwischen der vielspurigen Chongwenmen East Street und den Resten der Stadtmauer. Auf der anderen Seite der Mauer schließt sich direkt das Bahngelände an, der Hauptbahnhof ist nicht weit.

Blick vom Foxtower auf den schmalen Stadtmauerpark

Kaum mehr als ein sehr breiter Grünstreifen: der Stadtmauerpark

Aber vom Verkehr hört man überraschend wenig, dazu ist der Park ist hübsch angelegt. Besonders zur Frühlingsblüte ist er ein regelrechter Hotspot, weil hier Magnolien, Pflaumen, Pfirsiche, Kirschen und Forsythien und einiges mehr gleichzeitig blühen. An vielen Bäumen sind Schilder mit QR-Codes angebracht, wenn man es genauer wissen will (man sollte aber Chinesisch lesen können).

Kleinkind be-greift Magnolienblüten

Früh übt sich!

Am Ostersonnabend mache ich mich nachmittags auf in den Park. An diesem Wochenende ist auch das Qingming-Fest, entsprechend voll ist es. Zunächst zieht es mich in Richtung Turm und ich bin tatsächlich überrascht: man könnte dort hinauf – allerdings bin ich ein paar Minuten zu spät dran, Einlass ist nur bis 16:30 Uhr. Kein Problem, dann hole ich das nach. Angesichts des Traumwetters und der objektiv guten Luft war mir sowieso mehr nach Spaziergang. 

Musiker vor der Mauer im Stadtmauer-Park in Peking

Musik im Park

Die Luft ist süß vom Blütenduft. Überall wird fotografiert. Dazu das typische Parkleben: Sport, Musik, Spiele – ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hingucken soll. Immer wieder zieht es den Blick zur Stadtmauer und darüber hinaus, auch hier lassen sich wieder das kaiserliche und das moderne Peking auf ein Bild bannen.

Fox Tower (Wachturm an der Stadtmauer) und der Zhongguo Zun vor blauem Himmel

Kaiserliches und modernes Peking auf einen Blick

 

Für Eisenbahn-Fans

Trainspotting…

Die Plattform oben am Wachturm sowie die Fußgängerbrücke südöstlich des Turm sind gute Standorte fürs Trainspotting. Von der Plattform aus kann man die Züge bei der Ein- und Ausfahrt in den Hauptbahnhof sehen, von der Brücke aus sind weniger Kabel und Masten im Weg und im Hintergrund hat man den CBD als Kulisse.

 

… und Bahn-Historie

Mitten im Park finden sich Überbleibsel der Peking-Mukden-Railway: ein altes Signalhäuschen sowie ein paar alte Gleise. Mukden ist das heutige Shenyang.

 

Goldene Stunde

Am Westende des Parks hat man von einem kleinen Hügel aus eine tolle Aussicht in Richtung Zhengyangmen – und weil Wetter und Luft mitspielen noch weiter bis zu den Westbergen.

Aussicht in Richtung Zhengyangmen und Westberge

Aussicht in Richtung Zhengyangmen und Westberge

Ich drehe um und gehe den gleichen Weg zurück zu meinem Scooter. Nachdem wir dieses Jahr schon so viel schlechte Luft und Sandstürme gehabt haben, tun mir die „goldenen Aussichten“ auf der Rückfahrt wirklich gut.

 

Stadtmauer und Eckturm

Zwei Tage später setze ich mein Vorhaben um und besichtige den Turm und die Stadtmauer, auf der man ein kurzes Stück entlanglaufen kann.

Die Stadtmauer wurde 1419 während der Ming-Dynastie gebaut und stand bis zu den frühen 1960er Jahren. Dann wurde sie größtenteils für den Bau der U-Bahn abgerissen, die zum Teil unterhalb der ehemaligen Mauer entlangführt. Von den ehemals 40 Kilometern blieben gerade mal die 1,5 Kilometer in der Nähe des Hauptbahnhofs übrig. In den späten 1990ern wurde entschieden, diesen Abschnitt zu restaurieren und einen Park einzurichten. Ein Fünftel der dafür benutzten Mauersteine seien originale Steine, die von Pekingern für den Bau gespendet wurden. Fertiggestellt wurde der Park im September 2003.

Im Turm (1439 fertiggestellt) konnten 200 Soldaten und Pferde untergebracht werden, dazu gab es Rampen. Der Turm gilt als der größte noch stehende Eckturm Chinas.

Der südöstliche Eckturm- Fox Tower

Der südöstliche Eckturm- Fox Tower

Während des Boxeraufstands 1900 wurde der Turm von den Vereinten Acht Nationen angegriffen und eingenommen. Deren Graffiti (in die Mauersteine eingeritzt) ist heute noch zu sehen. 1983 wurde der Turm restauriert und für die Öffentlichkeit geöffnet.

Heute befindet sich im Turm eine Ausstellung über die Stadtmauer und die auch heute noch im Stadtbild vertretenen Stadttore. Auch wenn man mancherorts vielleicht vergeblich ein Tor sucht, wenn „门=men“ in einer Ortsangabe vorkommt, liegt die Vermutung nahe, dass es hier mal ein Stadttor gab.

Schaubild: Pekings Stadttore

Pekings Stadttore

 

Der Mord an Pamela Werner, 1937

Ein Beitrag zum Fox Tower wäre nicht komplett ohne den Hinweis, dass in der Nähe des Turms  am 8. Januar 1937 die übel zugerichtete Leiche der knapp zwanzigjährigen Diplomatentochter Pamela Werner gefunden wurde. Der Mord wurde nie aufgeklärt.

Paul French schrieb darüber einen „murder mystery“-Bestseller: „Midnight in Peking*„, der leider nicht auf Deutsch erhältlich ist. Ulrike vom Bambooblog bespricht das Buch hier.

Auf der Mauer

Ein Spaziergang auf diesem kurzen Abschnitt ist vielleicht nicht so spektakulär wie auf der Mauer in Xi’an, auf der man sogar radeln kann, dennoch finde ich die sowohl die Aussichten auf die Stadt als auch auf die Mauerreste interessant.

Pekings Stadtmauer mit Blick auf den CBD

Pekings Stadtmauer mit Blick auf den CBD

 

Info

Park: Eintritt frei, immer geöffnet, keine Gates oder Eingangskontrollen

Wachturm und Stadtmauer: Eintritt 10 RMB, geöffnet 9-17 Uhr, letzter Einlass 16:30 Uhr

Hinkommen:

  • Auto, Motorrad, Scooter, …: Parkplatz direkt unterhalb des Wachturms/Osteingang (9 Chongwenmen East Streat, Dongcheng)
  • Bushaltestelle: Dongbianmen Station (befindet sich etwa in der Parkmitte, direkter Zugang)
  • Metro: Chongwengmen, Exit B, ca. drei Minuten Fußweg bis zum Westeingang des Parks

Weiterlesen: Pekings Stadtmauer im Bambooblog mit mehr Infos zu den Stadttoren

Fotos

 

 

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11 Kommentare
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3 Jahre zuvor

So schönes Wetter und so tolle Fotos! Danke für den Link!
Liebe Grüße aus Hamburg
Ulrike

Timoleon
3 Jahre zuvor

Was ein Jammer, ein so altes und so lange stehendes Bauwerk zugunsten einer U-Bahn abzureißen! Das erinnert unweigerlich an die Vernichtung der Erde zugunsten einer intergalaktischen Schnellstraße in „Per Anhalter durch die Galaxis“. Zum Glück ist ja ein Teil stehengeblieben.

Das Photo der „goldenen Aussicht“ ist klasse geworden! Auch wieder der Kontrast von alt vs. neu ist ein interessantes Photomotiv.

Aber warum heißt der Turm Fox-Tower? Gibt es Füchse als Dekoration, oder bewachten die Soldaten den Eingang wie Füchse?

Neugierige Grüße,
Timoleon.

Timoleon
3 Jahre zuvor
Antwort an  Linni

Wow!
Danke für die ausführliche Erklärung! Ja, es gibt immer mehrere Seiten einer Handlung. Jetzt ist es verständlich.

Danke nochmal und liebe Grüße,
Timoleon.

P. S. : Feiert Ihr als Expats zusammen Ostern? Wenn ja, wie? Also normalerweise.

Anke
3 Jahre zuvor

Wie immer: Obwohl ich schon dort war, erfahre ich immer wieder was Neues! Danke für den Bericht und die vielen tollen Bilder.

3 Jahre zuvor

Ich bin über Elke auf Deinem Blog gelandet, Interessante Einblicke in die chinesische Welt und das noch auf Deutsch!

Deinem Blog will ich daher unbedingt folgen.

LG Bernhard

[…] Gleichzeitig läuft hier aber auch der normale Alltag weiter, auch wenn überall in meinem Umfeld der Krieg erst einmal Thema ist. Für mich hieß Alltag gestern: ein Spaziergang mit der Fotogruppe. Es ging zum „Ming City Wall Relics Park“, kurz Stadtmauerpark. Darüber habe ich letztes Jahr im April ja schon mal geschrieben: Pekings Stadtmauer. […]

[…] Pekings Stadtmauer […]