Tatort

Leben in der Expatbubble

Letzte Aktualisierung am 26. März 2018

Bei vielen Gesprächen oder Diskussionen bekommt man mit, dass das Leben in der sogenannten Expatbubble ja doch komisch sei und von einigen wird die Bubble negativ gesehen. Ich versuche mal, hier anzureissen, wie ich unsere chinesische Expatbubble erlebe. Um es vorwegzunehmen: mein Fazit ist positiv.

Als bei uns vor über zwei Jahren die Entscheidung gefallen ist, dass wir nach Peking gehen, habe ich sofort mit dem Chinesisch lernen angefangen. Klar, Sprache ist der Schlüssel zur Integration, das bekommt man ja mit umgekehrten Vorzeichen in Deutschland eingehämmert. Und ja, Grundkenntnisse der Sprache machen mir den Alltag einfacher und bringen mich leichter in Kontakt mit Chinesen. Aber Integration? Fehlanzeige.

Auch wenn wir noch nicht wissen, wie lange wir wirklich hierbleiben, wir sind (hoffentlich) für länger, aber nicht für immer hier, das heißt, von unserer Seite aus besteht gar nicht die Notwendigkeit, uns komplett zu integrieren, aber das ist von chinesischer Seite auch gar nicht beabsichtigt. Endet der Arbeitseinsatz hier, endet unsere Aufenthaltserlaubnis. Das gilt umso mehr für die Expats, die von vorneherein wissen, dass sie in zwei, drei Jahren zurück in Deutschland sein werden.

Abgesehen davon sind wir hier auf den ersten Blick schon von weitem als exotische Langnasen zu erkennen. Selbst wenn ich das doppelte, drei- oder mehrfache an Zeit fürs Chinesischlernen aufwenden würde: Muttersprachlerniveau werde ich niemals mehr erreichen können – im Englischen beispielsweise hätte ich dazu eher die Chance.

Anders heißt nicht besser oder schlechter, sondern einfach nur anders.

Was ich aber kann: China mit Respekt begegnen. Wir feiern chinesische Feste mit (okay, wir nutzen sowieso jede Gelegenheit zum Feiern, und sei es, das Leben an sich zu feiern). Wir sind informiert über die wesentlichen Fettnäpfchen und wie man sie vermeidet. Wir begegnen China, den Chinesen, der Kultur mit Respekt. Wir nehmen das Andere hin und werten nicht. Anders heißt nicht besser oder schlechter, sondern einfach nur anders.

Nur weil ich in China lebe, heißt es nicht, dass ich es jetzt für mich übernehme, die Eltern in den Himmel zu heben und auch als Erwachsene zu tun, was die Eltern verlangen. Ich mag über die große Völkerwanderung zur Golden Week stöhnen, aber ich verstehe jetzt, warum das so ist. Genau, verstehen zu lernen, das ist für mich hier wichtiger als Integration, die als zeitlich begrenzt anwesender Laowai eh nicht gelingen kann.

Es ist sowieso gar nicht so einfach, hier als „Frau von XY“ (aus Chinesischer Sicht sind die Kinder und ich tatsächlich nur geduldete Anhängsel) sich mit Chinesen anzufreunden, da fehlen einfach die Berührungspunkte. Kurze Standardfloskeln beim Einkaufen, in Restaurants und Besuch von Sehenswürdigkeiten und Smalltalk beim Taxifahren – darauf beschränkt es sich im Wesentlichen. Das ständige Lernen – sei es bewusst am Schreibtisch oder nebenbei unterwegs – ist auch anstrengend. Und ich bin einer privilegierten, freiwilligen Situation hier.

Tatort

Tatort gucken im Zeit Berlin

Und es ist auch schön, sich mit anderen Deutschen zu treffen und in der Muttersprache zu unterhalten, wo ich nicht nach Worten suchen muss, wo ich auch Untertöne ohne Anstrengung verstehen kann. Selbst wenn ich auf Chinesisch immer öfter wenigstens mitbekomme, über was gesprochen wird, meine Unfähigkeit meine Gedanken in chinesische Worte zu fassen macht mich stumm, ich fühle mich eingeschränkt und hilflos. Da fühlt man sich dann in der Bubble dann doch ganz wohl und geborgen.

Oder Heimweh – auch wenn das nur sporadisch auftritt, manchmal ist es schön zusammen „Deutsche Traditionen“ zu pflegen oder etwas zusammen zu unternehmen. Da fährt man dann auch einmal im Monat abends mal eine Stunde hin und eine wieder zurück, um zusammen mit anderen Deutschen den Tatort der Vorwoche zu schauen. Andere gehen hier auf Bälle und Oktoberfeste – das war auch in Deutschland schon nicht mein Ding, aber so kann beinah jeder seinen Nischen und sein Stück Heimat hier finden.

Die Expatbubble für die Kinder

Und die Kinder? So, wie ich auch sonst eigentlich nicht unter meinem gewohnten westlichen Standard und Errungenschaften bleiben möchte und teils zwangsweise doch muss (fließendes Trinkwasser, saubere Luft, sichere Lebensmittel, Gurte im Auto…), möchte ich das auch, was den Alltag der Kinder angeht, nicht. Nein, ich möchte sie nicht in sechsmal die Woche je 12 Stunden auf eine chinesische Schule gehen lassen. Ich bin froh über die Deutsche Schule mit all ihren Stärken und Schwächen, auch wenn Britische und andere internationale Schulen für uns leichter zu erreichen wären und die Kinder dann vielleicht noch besser Englisch lernen würden. Die Expatbubble für die Kinder beschränkt sich im Wesentlichen auf Schule und Compound. Unserer ist wunderbar international, auf Spiel- und Bolzplatz spielen Kinder, die ihre Wurzeln auf sämtlichen Kontinenten in den verschiedensten Ländern haben, miteinander.

Wenn das Englisch – das ist unsere Umgangssprache hier, nicht Chinesisch – mal nicht reicht, reden sie mit Händen und Füßen oder erfundener „Baba-Sprache“ (inspiriert von der TV-Serie „Rabbids Invasion“) miteinander. Sprache ist Mittel zum Zweck, wichtig ist, dass man sich versteht, da kann die Wortwahl auch mal komisch und die Grammatik falsch sein. Was die Kinder hier ganz selbstverständlich aufsaugen: das Miteinander in einer per se multikulturellen Umgebung, ganz nebenbei und selbstverständlich nehmen meine hier südafrikanische, finnische, amerikanische, französische, nigerianische… – und natürlich deutsche und chinesische Traditionen, Lebensweisen, Einstellungen etc. mit. „3rd Culture Kids“ erleben wir als Bereicherung, nicht als Mangel von etwas. Die Kinder leben einfach mit anderen Menschen zusammen, die Herkunft/Nationalität ist nicht wichtig, Kinder sind nett oder nicht nett, egal mit welchem Pass sie herumlaufen.

In dieser Expatbubble zu leben heißt nicht, blind und ignorant gegenüber dem Gastland zu sein. Wer vorher schon „open minded“ war, wird es hier sicher leichter haben, zurechtzukommen, dabei kann die Bubble aber ein hilfreicher Rückzugsort in einer oft sehr fremden, aufregenden, exotischen Welt sein.

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4 Kommentare
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Ulrike
8 Jahre zuvor

Danke für diesen Artikel, der mich nachdenklich gestimmt hat. Was bedeutet Integration? Dass Du schon rein äusserlich nicht zum Chinesen wirst, ist klar. Auch denke ich, dass wir in Deutschland von all den neuen Mitbürgern nicht erwarten können, dass sie zu Deutschen werden. Respekt vor deutschen Gewohnheiten und das Einhalten unserer Gesetze ist das wichtigste. Und so verhältst du Dich in China. Insofern möchte ich fast sagen, dass du integriert bist.
Und ich sehe auch, welch ein Glück ich hatte, ein Jahr an der Sprachen-Uni zu verbringen, wo Chinesisch die Umgangssprache war. Da klappte das Chinesisch lernen fast von alleine. Trotzdem, belastbare Freundschaften mit Chinesen habe ich dort so gut wie gar nicht geschlossen. Erst hier in Hamburg, wo ich seit mehr als 10 Jahren in einem überwiegend chinesischen Umfeld arbeite, sind ganz langsam, ganz allmählich, gute Freundschaften mit chinesischen Kolleginnen/Kollegen entstanden. Aber wir sprechen meistens Deutsch miteinander.
Alles Gute weiterhin!
Ulrike

8 Jahre zuvor

Danke für Deinen Artikel… Auch mich macht er nachdenklich. Ich bin sehr sehr zwiespälitg, was die Seifenblase angeht, in der wir leben, denn leider sehe ich viel zu häufig die Schattenseiten — und bedauerlicherweise auch viel zu häufig den mangelnden Respekt gegenüber unserem Gastland.

Als problematisch empfinde ich, dass viele von uns „travelling spouses“ hier keine Aufgabe haben und deshalb häufig zu sehr in ihren eigenen Befindlichkeiten verfangen sind, wo dann alles auf die Goldwaage gelegt wird. Ich persönlich kämpfe auch viel mit Ausgrenzung, die mich ehrlich gesagt in einem so internationalen Umfeld sehr schockiert und kränkt, aber auch damit, dass viele versuchen, alles auf ihre eigenen Bedürfnisse zurecht zu biegen. Aus nachvollziehbaren Gründen: natürlich möchte jeder das Beste für seine Kinder und ein Umfeld, in dem sie sich geborgen fühlen. Doch leider geht dabei, alles auf die eigenen Bedürfnisse zurecht zu biegen, eben auch vieles kaputt. Da fehlt aus meiner Sicht ein bisschen die Weitsicht zu erkennen, was man statt dessen alles bekommen könnte, was man zu Hause nicht bekommen könnte, wenn man sich nur drauf einließe. Dann: so viel Getratsche, das oft genug unter die Gürtellinie geht…

Aber ich will auch nicht alles schwarz malen, ich habe hier sehr sehr viele wunderbare Menschen kennengelernt und bin dankbar für jeden einzelnen von ihnen!

Was die Integration angeht… Als wir kamen, dachte ich, wir würden vermutlich keinen oder nur wenig „echten“ Kontakt, geschweige denn Freundschaften mit Chinesen knüpfen können, zum einen der Sprachkenntnisse und des komplett anderen Lebensstils wegen, aber auch, weil ich das Gefühl hatte, dass die Chinesen gar nicht so wirklich daran interessiert sind. Aber diese Meinung habe ich revidiert — ich habe hier auch chinesische Freunde gefunden, von denen ich keinen einzigen missen möchte. Und viel erfahren über das Leben hier und die Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben. Allerdings habe ich mich auch aus der Bubble herausgewagt und viele Situationen geschaffen, in denen ich Chinesen kennen lernen kann.

Ich bin übrigens selber gewissermaßen ein Third Culture Kid, ich habe fast die Hälfte meines Lebens außerhalb von Deutschland gelebt, und hab‘ halt von jedem Land ein bisschen, aber von keinem alles. Sozusagen.

Und so kommt es dann zu Situationen an unserer Schule, in denen ich sehr verwundert in einem Raum voller Menschen stehe, in dem die Chinesen in der einen Ecke und die Koreaner in der anderen stehen, die Deutschen zusammen, die Franzosen zusammen und die Russen… (die Dänen in unserer Community sind auch noch mal so ein Fall für sich). Oft sind es die Sprachbarrieren, oft genug aber auch pure Bequemlichkeit. Mich stört das. Deshalb habe ich angefangen, an der Schule andere Mütter ehrenamtlich in Englisch zu unterrichten, um wenigstens die Sprachbarrieren zu reduzieren.

Liebe Grüße in die Nachbarstadt!

Corinna