Chinese New Year im Schatten des Virus
In diesem Beitrag:
Pekings Strassen sind leer gefegt. Das ist jedes Jahr zum Chinesischen Neujahr so, aber dieses Jahr kommt das Corona-Virus erschwerend hinzu. Hier will ich erzählen, wie es für mich aktuell in Peking ist.
Am Ende dieses Blogbeitrags werde ich aktuelle Schließungen etc. auflisten und in der nächsten Zeit regelmäßig aktualisieren.
Was wir (nicht) wissen
Es heißt, das Coronavirus sei weniger ansteckend als die Grippe (Influenza) und weniger tödlich – scheinbar im Widerspruch stehen dazu die teils sehr drastischen Maßnahmen.
Wenn sich das Virus aber weiter ausbreitet, erhöht sich die Möglichkeit von Mutationen, die es gefährlicher machen könnten – und das erklärt wohl auch die teils drastischen Maßnahmen: Millionenstädte unter Quarantäne, aus dem Boden stampfen von Krankenhäusern mit über 1000 Betten… Hier in Peking Absage aller Temple Fairs und Kinopremieren. Schließung von stark frequentierten Mauerabschnitten, Vergnügungsparks und Sehenswürdigkeiten, allen voran die Verbotene Stadt und Lama- und Konfuziustempel.
Vielleicht ist es nicht nur Notwendigkeit, sondern auch ein wenig „Sicherheitsaktivismus“: zeigen, dass man aus dem Umgang mit SARS gelernt hat?
Wuhan ist weit weg, aber inzwischen gibt es offiziell 41 Erkrankte in Peking, zwei inzwischen erholt (Stand heute 25.1.2020, 23 Uhr ).
Info-Mails von Schule und Botschaft
Von der Deutschen Botschaftsschule kam folgende Info:
Von der Botschaft kam folgende Mail:
Auch China-Reisende sollten sich aktuell auf der Krisenvorsorgeliste eintragen.
Besuch muss Masken aus Deutschland mitbringen
N95-Masken waren in den Geschäften, in denen ich es versucht habe, überall ausverkauft. Unser Mittlerer, der ab Montag mit seiner Freundin zu Besuch kommt, wird nun welche mitbringen. Allerdings nur drei, auch in Deutschland gab es Lieferengpässe… Nein, wir haben ihm nicht davon abgeraten zu kommen. Für ihn ist es ja auch Familienbesuch. Blöd ist es für Leute, die gerade jetzt eine „Once-in-a-Lifetime“-Reise antreten wollen – und dann sind wichtige Abschnitte der Großen Mauer, die Verbotene Stadt und viele andere Sehenswürdigkeiten geschlossen. Das ist super ärgerlich, ich hoffe, für solche Fälle gibt es vernünftige Stornomöglichkeiten.
Leere Strassen – zwischen „genial“ und „gespenstisch“
Ich würde ja gerne mal mit dem Scooter über den Tian’anmen sausen, was normalerweise verboten ist. Gestern am Spätnachmittag hab ich es mal wieder versucht – vielleicht eine Chance angesichts des Feiertags?
Ich bin überall brav auf dem Bike-Streifen geblieben, aber ich hätte locker Slalom über 8 Spuren fahren können. Nichts los!
An der Ecke direkt am Graben standen ein paar wenige Fotografen. Aber auf der Straße: nichts. Und hier steppt sonst freitagabends der Bär! Ich bin dann an der Ostseite der Verbotenen Stadt entlang gefahren, aber nein, am Ende kein Durchkommen: streng wie immer, keine Chance mich an den Wächtern vorbeizumogeln. Und da ich selbst entscheiden möchte, wann ich China verlasse und nicht rausgeworfen werden will, bin ich dann doch lieber vernünftig… Außerdem saugt die Kälte das Scooterakku verflixt schnell leer, so dass ich lieber zurückgefahren bin.
Es ist jedenfalls schon ein komisches Gefühl, wenn die ansonsten belebten und übervollen Straßen so leer sind. Auch wenn dafür sicher vor allem die Neujahrsferien ursächlich sind, wenn die wenigen Menschen, die man unterwegs sieht, zum Großteil Masken tragen, ist es halt doch weit entfernt von normal.
Chunwan – das größte Fernsehereignis der Welt
Wieder zuhause war es Zeit, die Glotze anzuwerfen, diese chinesische Tradition machen wir mit und schauen uns die Neujahrsgala an. Dieses Jahr besonders augenkrebsverdächtig (Hauptsache quietschbunt!) – und nicht so überwältigend wie letztes Jahr. Okay, die vom letzten Jahr war wohl auch wegen der anstehenden 70-Jahr-Feierlichkeiten besonders opulent. Was es dies Jahr gar nicht gab: Feuerwerksbilder und Beiträge aus allen Provinzen (nur einige wenige). Ja, da war es dann auch wieder das Virus: offenbar sind da auch Veranstaltungen abgesagt worden. Bemerkenswert, dass es schon ziemlich zu Anfang der Show einen Beitrag zum Virus gab, im Gedächtnis geblieben ist mir davon vor allem der Dank an das medizinische Personal.
WeChat ist wie jedes Jahr voller Neujahrswünsche – vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich habe schon den Eindruck, dass deutlich mehr Gesundheit als Wohlstand und Reichtum (was sonst eine der gängigen Grußformeln ist) gewünscht wird.
Gerüchte und Verschwörungstheorien
Wenn man auf Twitter nach #coronavirus schaut, dann findet man zwar durchaus auch seriöse Nachrichten – aber auch widerliche Äußerungen wie „Mistland nuklear dem Erdboden gleichmachen“ (gemeldet). Nein, ich glaube nicht, dass das Virus eine aus einem Geheimlabor entwichene Biowaffe ist. Nein, ich glaube nicht, dass heute Nachmittag in Peking Chemtrails Desinfektonsflieger gesprüht haben. Nein, die Straßen von und nach Peking sind nicht geschlossen. Nein, wir haben keine Aluhüte auf, aber ich hab vorhin unterwegs dann doch meine Maske getragen, denn im Gegensatz zu dem ganzen anderen Unfug ist das eine sinnvolle Maßnahme.
Befindlichkeit…
Aktuell mache ich mir keine Sorgen um uns. Kalt lässt uns das ganze trotzdem nicht – es sind ja teils extrem drastische Maßnahmen (die Quarantäne von Millionen Menschen!). Panik und Hysterie ist aber auch nicht angebracht. Wir werden die Nachrichten weiter aufmerksam verfolgen, uns an die Ratschläge halten (nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, keine Menschenansammlungen aufsuchen, ganz oft Hände waschen und desinfizieren).
Als die Stadt am Mittwoch noch nicht ganz so leer war, war es schon auffällig, dass unter den Wartenden an Bushaltestellen wenn überhaupt mal einer ohne Maske war – das Verhältnis ist sonst umgekehrt! Heute waren die Straßen noch leerer als gestern, die wenigen Menschen, die ich gesehen hab, trugen bis auf wenige Ausnahmen Masken. Es ist tatsächlich ein bisschen so wie zu Beginn eines Katastrophenfilms (wer mich näher kennt, weiß um meine Vorliebe für Katastrophenfilme aller Art): Erste Meldungen in den Nachrichten, aber man führt sein Leben halbwegs normal weiter und dann… Ich hoffe sehr, dass der Spuk schnell wieder vorbei ist, aber vermutlich wird uns das wohl doch mindestens in den nächsten Wochen begleiten.
Zahlen, Schließungen und Maßnahmen
Stand: 25.1.2020 – 23 Uhr Pekingzeit
Update: 26.1.2020 – 13 Uhr Pekingzeit
Update: 27.1.2020 – 8 Uhr Pekingzeit
Hier liste ich wie angekündigt die mir bekannten Erkrankungszahlen, Schließungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Virus auf. Quellen: The Beijinger, China Daily, That’s Beijing.
China gesamt:
Um die Entwicklung verfolgen zu können, Zahlen vom 25.1.2020:
- 1,369 bestätigt
- 1,983 Verdachtsfälle
- 40 erholt
- 41 gestorben
Zahlen am 26.1.2020
- 1,975 bestätigt
- 2,684 Verdachtsfälle
- 49 erholt
- 56 gestorben
Zahlen am 27.1.2020, 8 Uhr:
- 2,762 bestätigt
- 5,794 Verdachtsfälle
- 51 erholt
- 80 gestorben
Peking
41 bestätigt, 2 erholt(25.1.2020)
51 bestätigt, 2 erholt (26.1.2020)
63 bestätigt, 2 erholt (26.1.2020, 20 Uhr)
68 bestätigt, 2 erholt (27.1.2020, 8 Uhr)
Auswirkungen in Peking:
- Absage aller Temple Fairs
- Ab morgen (Sonntag, 26.1.2020) fahren keine Long-Distance-Busse mehr.
- Temperaturkontrollen in mindestens 35 Metrostationen
- An den Pekinger Flughäfen Temperaturkontrollen aller Ankommenden
- internationale katholische und muslimische „Services“ abgesagt (was die beiden deutschsprachigen christlichen Gemeinden machen, ist mir aktuell noch nicht bekannt)
- Filmstarts abgesagt (zum Neujahrsfest eigentlich ein Megageschäft), mehrere Kinoketten schließen für unbestimmte Zeit
- Yew Chung International School hat die Ferien vorerst um zwei Wochen bis zum 17.2.2020 verlängert, die Kaiwen Academy hat um eine Woche verlängert.
- Manche Dörfer rund um Peking verordnen sich selbst Quarantäne, keiner kommt rein, keiner raus – z.B. Xianrendong Village in Changping. (Das hat es wohl während der SARS-Krise 2003 auch schon gegeben.)
Geschlossen:
- Verbotene Stadt
- Lamatempel
- Konfuziustempel
- Mauer bei Badaling
- Mauer bei Juyongguan
- Ming Gräber
- Happy Valley (Vergnügungspark)
- viele Theater, Kinos
- Beijing Zoo
Derzeit (noch?) geöffnete Parks:
- Ritan Park
- Tuanjiehu Park
- Rending Hu Park
- Beihai Park
- Zhongshan Park
- Chaoyang Park
- Qingnianhu Park
- Temple of Heaven
Update 26.1.2020, 13 Uhr
- DiDi fährt nur noch innerhalb der Stadt. Fahrer müssen Masken tragen.
- Eisvergnügen auf dem Houhai-See ist bis auf Weiteres geschlossen.
- Outlet Malls in Fengtai bis auf Weiteres geschlossen
- geöffnet: Solana, Indigo
Update 26.1.2020, 20:30 Uhr
- Nanshan-Ski-Resort bis auf Weiteres geschlossen (Mitteilung über die APP des Resorts)
- Alle städtischen Pekinger Schulen verlängern ihre Ferien bis (mindestens) zum 17.2.2020. Inwieweit dies die privaten internationalen Schule verpflichtet, ist noch nicht ganz klar. Achtung, Spekulation: auch die internationalen Schulen werden verlängern müssen, würde mich überraschen, wenn da Ausnahmen gemacht werden.
Update 27.1.2020, 13:30 Uhr
- Haidilao, die größte Hotpot-Kette, hat landesweit alle Filialen geschlossen – erstmal bis zum 31.1.2020
- Chinesische Gruppenreisen (sowohl innerhalb Chinas als auch ins Ausland) bis auf weiteres unterbrochen, chinesische Agenturen und Reisebüros dürfen keine Gruppenreisen verkaufen. Nur bereits begonnene Reisen dürfen zuende gebracht werden. Individualreisen nicht davon betroffen.
- Pangu 7 Star Hotel hat bis auf weiteres geschlossen.
- Die offiziellen Neujahrsferien wurden um 2 Tage bis zum 2. Februar verlängert.
Erneut Mail vom Auswärtigen Amt (26.1.2020, 22:08 Uhr:
Unter dem genannten Link zur Sicherheit in China findet sich Folgendes:
Toll! Danke für diesen sachliche und unaufgeregten Artikel!!! Supeinformativ!
Hoffentlich ist der Spuk bald vorüber!
Alles Gute und ein gesundes Jahr der Ratte!
Ulrike
Dankeschön! :)
Puh, schon beklemmend – genau den gleichen Gedanken wie du hatte ich auch, was klassische Katastrophenfilme angeht. Dass du die Entwicklung so Tag für Tag festhältst, ist eine gute Idee!
Ich drücke dir und deinen Lieben (und dem Rest der Welt) auf jeden Fall die Daumen, dass der Spuk bald ein Ende hat und das Virus besiegt wird.
Liebe Grüße
Anne
Dankeschön! :)
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