Der Stoffmarkt in Langfang

Es gab mal einen Stoffmarkt in Peking. Der wurde abgerissen, ein neuer wurde gebaut und verschwand auch wieder. Wer nun Stoffe vor Ort und nicht online kaufen will, muss sich auf den Weg nach Langfang (Yunqing Blvd, Yongqing County, Langfang, Hebei, China) machen. Außerhalb des kleinen Ortes mitten auf dem platten Land in der Nähe von Langfang befindet sich eine kleine „Stoffstadt“: 8 Häuserblocks, in denen man außer Stoffen aller Art auch beinah alles weitere rund ums Nähen kaufen kann: Borten, Knöpfe, Reißverschlüsse. Nähmaschinenzubehör gibt es, Nähmaschinen selbst allerdings nicht. Wolle gibt es ebenfalls nicht, aber zwei Bekleidungsmalls gehören dazu: die eine schicker, die andere schlicht.

Die Patengruppe hatte Ausflüge zum Stoffmarkt vor der Pandemie immer wieder mal angeboten, aber während der letzten Jahre musste dies ausfallen, weil der Stoffmarkt in der Provinz Hebei, also außerhalb der Pekinger Grenzen liegt. Nun war es endlich wieder möglich, und der Andrang war so groß, dass extra ein größerer Bus bestellt wurde, damit alle Interessierten mitkommen konnten.

Schon auf der Hinfahrt wurde mitgebrachter Kuchen gesnackt, auf der Rückfahrt kam noch Kaffee und Tee, Sekt und Wein dazu. Die Stimmung war großartig – es ist halt wirklich super, dass solche Touren wieder möglich sind. Die Strecke selbst ist fast so öde und langweilig wie die A7 zwischen Hamburg und Hannover: plattes Land und nicht viel Sehenswertes.

Angekommen in der Stoffstadt wurde noch Zeit und Treffpunkt für die Rückfahrt vereinbart, dann wurde ausgeschwärmt.

Der Bus am Treffpunkt

Meine Freundin und ich hatten keine Einkaufsliste, sondern haben uns kreuz und quer treiben lassen und die vielen Eindrücke inhaliert. Wie in vielen chinesischen Malls ist es so, dass viele Geschäfte ein ganz ähnliches Sortiment haben, die Unterschiede bestehen dann in der Präsentation (Chaos oder Ordnung, sauber oder schmuddelig, luxuriös oder schäbig – und jeweils alles dazwischen) und im Service (da gibt es auch die ganze Bandbreite von bedrängt bis ignoriert werden).

Inmitten des Stoffmarktes

Der Stoffmarkt verteilt sich auf acht Blocks, die von A bis H durchnummeriert sind, innerhalb der Blocks hat jedes Geschäft eine Nummer. Theoretisch könnte man sich gut orientieren. Aber dreimal umgedreht und hin- und hergestreift, und schon weiß ich nicht mehr wo ich bin. So kam es, dass wir auf der Suche nach dem unterirdischen Foodcourt, wo wir uns mit anderen zum Mittagessen treffen wollten, beinah jeden Block erkundet haben. Schließlich wurden wir aber doch noch fündig.

Unterirdischer Foodcourt

Ein bisschen zuckt man ja noch zusammen, wenn man die weißen Overalls sieht, aber hier wird nur ganz harmlos renoviert.

Renovierungsarbeiten

Manche der Gassen sind voller Leben, andere erinnern an lost places.

Wir werfen einen Blick in das schickere Kaufhaus. Das hat aber wohl nur vormittags geöffnet, in den oberen Stockwerken ist schon alles verschlossen und abgedeckt.

Bekleidungskaufhaus

Draußen warten Shuttle, die vermutlich die Verkäuferinnen zur nächstgelegenen  Bus- oder Bahnstation bringen.

Shuttlebus

Die andere, schlichtere Bekleidungsmall ist deutlich voller und belebter. Ein bisschen erinnert mich das Ganze an das Bekleidungsgeschäft in Halstenbek unmittelbar hinter der Hamburger Stadtgrenze, wo früher auch täglich Busladungen mit überwiegend älteren Menschen aus ganz Schleswig-Holstein angefahren ankamen…

Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, auch zu Stöbern: in Bändern und Borten, aber auch in farbenprächtigen Seidenstoffen.

Nur ein klitzekleiner Ausschnitt aus der Vielfalt von Seidenstoffen

Die Zeit vergeht wie im Fluge, wir müssen zurück zum Treffpunkt und es geht zurück nach Peking. Bei der „Grenzkontrolle“ auf der Rückfahrt gab es einen kurzen Schreckmoment: alle Pässe wurden eingesammelt, soweit Routine. Aber bei der Rückgabe gab es zwei Nachfragen. Einmal ging es um einen Diplomatenpass, alles okay. Die andere Rückfrage betraf ausgerechnet mich: wann ich denn eingereist sei? Hmm, ja, das ist ja nun schon ein bisschen her – und ich habe einen neuen Pass, der noch keine Stempel enthält. Zum Glück hat die mündliche Auskunft gereicht. Notiz an mich: Auch den alten Pass mitnehmen, wenn ich Peking verlasse, auch wenn es nur in die Nachbarprovinz geht. Stempel in China – so wichtig…

Jedenfalls musste niemand zurückgelassen werden und wir konnten die Rückfahrt fortsetzen.

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