Gegensätze
Mein Nachmittag ist voller Gegensätze. Es soll zum „Ladies Temple“, Banteay Srei gehen. Auf dem Weg liegen Schmetterlingsfarm und Landminenmuseum. Unbeschwerte Leichtigkeit wird sich mit einem der bittersten Kapitel menschlicher Geschichte und alter Zivilisation und Kultur abwechseln. Harter Stoff.
Schmetterlingsfarm
Zuerst geht es zur Schmetterlingsfarm. Ich habe die große Anlage mit Tropenhaus in Friedrichsruh bei Hamburg vor Augen, wobei mir natürlich klar ist, dass hier in Kambodscha kein Tropenhaus notwendig ist. Die Schmetterlingsfarm hier ist ein hübscher kleiner Garten, komplett unter einem Netz. Mir wird erklärt, dass es dies Jahr leider nur wenige Schmetterlinge gäbe und dass die wenigen jetzt am Vormittag auch noch schliefen. Ich bin die einzige Besucherin und bekomme eine Privatführung und sehe Eier, Larven, Raupen in den unterschiedlichsten Stadien – und einige weniger Schlafmützen, äh, Schmetterlinge. Hier gefällt mir gut, dass neben dem Parkplatz Hängematten für die Tuktuk- und Busfahrer unter einem Schatten spendenden Dach gespannt sind.
Landminenmuseum
Nur wenige Fahrminuten weiter werde ich dann mit den dunklen Seiten der kambodschanischen Vergangenheit konfrontiert. Wir halten am Landminenmuseum. Es ist klein und überschaubar, geht auf die Initiative von Aki Ra (geboren als Eoun Yeak) zurück, der auf eine bewegte, erschütternde Biographie zurückblickt: Zu Beginn der Siebziger geboren, wann genau ist unbekannt, wird er seinen Eltern weggenommen und Kindersoldat bei den Roten Khmer. Seine Eltern wurden ermordet. 1983 – maximal 13 Jahre alt, vielleicht auch erst 10 – wird er von Vietnamesen gefangen genommen und kämpft dann auf deren Seite. Wie zuvor für die Roten Khmer legt er auch für die Vietnamesen Landminen. Als die Vietnamesen Kambodscha verließen, trat er der Kambodschanischen Armee bei.
Erst Minenleger, dann Minenräumer
Zu Beginn der Neunziger räumte er auf eigene Faust Minen: mit Stöcken und Messern, ohne jede Schutzkleidung – das hätte auch früh tödlich enden können. Erst später bekam er eine professionelle Minenräumerausbildung. Schließlich widmet er sein Leben dem Räumen von Minen, der Aufklärung über deren Gefahren, ruft das Landminenmuseum ins Leben, kümmert sich um Minenopfer und gründet Schulen für Waisen und Minenopfer. Über diese bewegte Lebensgeschichte informieren Fotos und Infotafeln. Da rücken die Informationen zu den verwendeten Antipersonenminen und Panzerminen, obwohl die Objekte danebenstehen, in den Hintergrund. Dazu werden überall – entschärfte – Minen ausgestellt, wenn man vom Parkplatz zum Eingang geht, ist der Weg beidseits von Bomben gesäumt. Das hat eine perverse Ästhetik und macht sehr beklommen.
Ich habe vor der Reise viel über die jüngere Geschichte Kambodschas gelesen, allein das kann schon traurig stimmen. Aber diese Geschichte am Beispiel eines einzelnen, konkreten Menschen gezeigt zu bekommen, der Opfer und Täter zugleich ist und sein Leben seit vielen Jahren der Wiedergutmachung gewidmet hat, das beschäftigt mich.
Banteay Srei
Still steige ich wieder in Sokphorns Tuktuk. Unfassbar, was Menschen sich gegenseitig antun können, angetan haben und auch heute noch antun.
Kurze Zeit später kommen wir am „Ladies Temple“ – Banteay Srei an. Der Parkplatz ist bald größer als das Tempelgelände, eine Reihe von Bussen besetzen die wenigen Schattenplätze. Sokphorn zieht sich wieder zu einem Nickerchen zurück, und ich stelle mich hinter eine chinesische Reisegruppe, überwiegend Frauen, an der Eingangskontrolle an.
Dieser Tempel gilt als einer der Kunstvollsten, die Ornamente seien unvergleichlich. Ich bin keine Fachfrau, aber auch ich finde sie ungewöhnlich schön! Wie an vielen der anderen Tempel gibt es auch hier eine Musikgruppe, die traditionelle Musik spielt. Das, die friedliche Atmosphäre, das fröhliche Plappern der Chinesinnen, die warme Sonne auf der Haut, das alles vertreibt die düstere-traurige Stimmung.
Sacken lassen
Es ist zwar noch relativ früh am Nachmittag, aber der Tag hat ja auch schon um halb fünf für mich angefangen und ich bin nicht mehr aufnahmefähig. Also beschließe ich, den Rest des Tages wieder im Hotel am Pool zu verbringen.
Auf dem Rückweg kommen wir noch durch Dörfer, die wie aus der Zeit gefallen scheinen. Und immer wieder sind auf den Feldern neben der Straße Wasserbüffel oder magere Kühe, meist nur einzelne, aber einmal auch eine kleine Herde.
Was für ein unglaublicher Tag! Sonnenaufgang in Angkor Wat. Den Baphuon-Tempel fast für mich alleine im wunderschönen Morgenlicht. Unbeschwerte Leichtigkeit im Schmetterlingsgarten.
Das Landminenmusum.
Der Banteay Srei Tempel. Die unzähligen Eindrücke auf der Fahrt. Und dann ein entspannter Spätnachmittag und Abend am Pool, wo ich Zeit genug habe, meine Eindrücke und Gedanken wenigsten schon etwas zu sortieren.