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Losar im Lamatempel

Ich hatte ja von einer chinesischen Freundin den Tipp mit dem „Tanz im Lamatempel“ bekommen und von Ulrike vom Bambooblog die Erklärung, dass es sich dabei um Losar, das tibetische Neujahrsfest handelt.

Losar: Das tibetische Neujahrsfest

Losar ist ein wichtiges Fest für tibetische Buddhisten in China. Dieses Jahr fiel der Neujahrstag auf den 21. Februar. Die Feierlichkeiten zum tibetischen Neujahrsfest dauern fünf Tage, von den letzten beiden Tagen des Vorjahres bis zum dritten Tag des neuen Jahres: 2023 also vom 19. bis 23. Februar.

Bei dem Event am Sonntag handelte es sich um Buza. Das Wort Buza stammt aus dem Mongolischen und bedeutet „Das Schlagen der Teufel“.

China Daily schreibt dazu:

Das „Schlagen der Teufel“ ist immer noch eine geheimnisvolle religiöse Zeremonie, die Menschen aus der ganzen Welt anzieht, nicht nur Buddhisten, die sich ihr anschließen und die Atmosphäre einfangen, in der die Teufel aus dem Geist eines jeden vertrieben werden und die Seele und das Herz gereinigt werden.

Es wird voll

Am Abend vor dem Event waren die Tickets in der App schon ausverkauft, daher war ich schon gespannt, ob es wirklich vor Ort noch Tickets geben würde. Gab es, nicht nur für Ausländer. Ich hab eine Fotofreundin auf dem Weg zum Tempel getroffen und gemeinsam haben wir uns dann ins Getümmel gestürzt. Wir waren schon vor 12 Uhr da und es war bereits proppevoll. Rund um die Bühne wurde schon mächtig gedrängelt.

Ich kann das überhaupt nicht haben, in einer Menschenmenge festzustecken, und war daher froh, dass wir auf den Sockel eines der Fahnenmasten klettern konnten – und auch nicht von dort verscheucht wurden. Der noch freie Platz auf dem Bild war wenig später schon gut gefüllt.

Als es dann wirklich losging, alle aufstanden und ihre Handys und Kameras hochreckten, blieb zwischen Hüten und Zweigen nur noch ein kleines Guckloch, aber immerhin. Und wir hatten einen guten Überblick über die ganze Szenerie.

So konnten wir beobachten, wie mit Flatterband noch Korridore gezogen wurden, und wie die auf dem Bild noch freie Fläche sich rasch mit Menschen füllte. Wir konnten sehen, wie ein Krankenwagen ankam, Bao’ans Sanitätern mit Trage einen Weg bahnten und wie sie wenige Minuten später mit einer Frau auf der Trage zum Krankenwagen zurück eilten (die Frau hat sich aber mit den Sanitätern unterhalten, schien glücklicherweise nicht dramatisch zu sein). Wir konnten einen Streit um einen Platz weit vorne hören und sehen. Und wir konnten sehen, wie das Haupttor immer wieder geschlossen wurde, bis sich die Menge auf dem Platz besser verteilt hatte. Ich war wirklich sehr froh über meinen Standort oberhalb des Gedrängels…

Beating the devil – Devil’s Dance

Dann ging es los. Trotz der eingeschränkten Sicht aus der Entfernung – das war schon sehr cool, das erleben zu können.

Losar im Lamatempel: zwei verkleidete Mönche tanzen den Devil's Dance, im Hintergrund bunte Thangkas und weitere Mönche.

Nach zwanzig Minuten war es auch schon vorbei. Viele Leute sind direkt danach gegangen, durften aber nur durch die normalerweise geschlossenen Seitenausgänge hinaus gehen – durch den Haupteingang kamen immer noch weitere Menschen in den Tempel hinein.

Diese Maske anzusehen schien wichtig zu sein.

Und es wurden Unmengen von Räucherstäbchen angezündet.

Der nächste tibetische Neujahrstag fällt auf den 10. Februar 2024 – und zwei Tage vorher müsste wieder der Teufelstanz sein. Das Gedrängel direkt an der Bühne möchte ich mir nicht antun, aus der Entfernung hab ich’s gesehen. Aber ich werde mir rechtzeitig weiter hinten einen guten Standort suchen, um die festlich gekleideten und die kostümierten Mönche aus der Nähe betrachten und fotografieren zu können, wenn sie zur Bühne gehen beziehungsweise zurückkommen.

Das ist doch schon ziemlich cool, dass ich diese Möglichkeit habe, mir das nochmal aus einer anderen Perspektive anzusehen, oder?

Fotos

Lamatempel und Hutongs

Nach der langen Sommerpause starten so nach und nach wieder alle Gruppenaktivitäten. Heute war ich mit der Fotogruppe unterwegs: erst im Lamatempel und dann kurzer Hutongspaziergang samt Lunch im „Little Yunnan“. Da mein Orientierungssinn manchmal nur so mittelgut ausgeprägt ist, bin ich früher losgefahren, um noch einen netten Weg vom Tempel zum Restaurant auszukundschaften. Abgesehen davon war ich aber auch nervös, denn das letzte Mal, als es mit der Fotogruppe in den Lamatempel gehen sollte, hing ein handgeschriebenes „geschlossen“-Schild an der Tür. Der Lamatempel ist in der Pandemiezeit ein bisschen Indikator dafür geworden, wie angespannt die Lage ist: hier war immer als erstes geschlossen (und am längsten).

Auf dem Weg schon viel zu gucken

Schon auf dem Weg fallen mir viele Fahrzeuge ins Auge, die in den letzten Jahren total selbstverständlich für mich geworden sind, die es so in Deutschland nicht gibt. Guckt, das ist ein Lastenrad (mit e-Unterstützung).

Und das hier ist eine Rikscha, von denen es an der Metrostation Dongzhimen so langsam wieder mehr gibt. Hier werden nicht wie am Shichahai Touris rund um den See gefahren, sondern es ist wie ein Taxi für kürzere Strecken. Außerdem im Bild: Leihfahrrad, Scooter (und ein paar Fahrzeuge, die ständig im Weg oder im Stau stehen).

Ich tuckere durch die Hutongs, finde viel Interessantes – nur das Restaurant finde ich nicht wieder…

Nein, hier ist es auch nicht…

Unverrichteter Dinge mache ich mich zum Treffpunkt auf, wo sich schon bald die anderen einfinden.

Im Lamatempel (Yonghegong)

Zum ersten Mal seit langer Zeit gehe ich wieder durch die Ginkgo-Allee, die in wenigen Wochen schon goldgelb leuchten wird.

Obwohl es keine großen Touristengruppen gibt, ist der Tempel voll. Das könnte am bevorstehenden Mondfest (am Sonnabend) liegen. Bemerkenswert: es sind viele jüngere Leute.

Es riecht intensiv nach Weihrauch, der in Massen verbrannt wird. Plötzlich rennt ein Wächter los, schreit hinter einem jungen Mann her. Der hatte ganz in Gedanken Weihrauchstäbchen mit in die Halle genommen. Ups!

Ich hab hier ja mal erzählt, dass ich den Lamatempel auch schon mal auslassen würde, wenn Besuch da ist, und den dort alleine hinschicke. Aber nun war so lange kein Besuch mehr hier, so dass ich mich sehr freue, wieder in dieser wunderschönen, beeindruckenden Anlage zu sein.

Vor dem blauem Himmel sieht das alles nochmal so gut aus.

Hier im Tempel (der ja früher Prinzenpalast war, bevor er umgewidmet wurde) findet sich die klassische Palastarchitektur, gemischt mit tibetischen Elementen. Manche Beschriftungen finden sich in vier Sprachen: Mandschurisch, Chinesisch, Tibetisch und Mongolisch.

Noch mehr Eindrücke:

Mich zieht es wieder zur letzten großen Halle, in der der riesige Maitreya-Buddha aus einem einzigen Stück Sandelholz steht. Der 7. (oder 8.?) Dalai Lama hat diesen dem Kaiser Qianlong zum Geschenk gemacht. Der Transport von Tibet nach Peking hat drei Jahre beansprucht.

In den Hallen sind zwar die großen Schilder mit der roten durchgestrichenen Kamera verschwunden, das steht jetzt diskreter auf den Schildern draußen an den Hallen. Aber sobald man auch nur den Anschein erweckt, fotografieren zu wollen, kommt ein Mönch, um das zu unterbinden. Die Mönche tragen heute nicht die gelbbraune Kutten, an die ich mich erinnere, sondern traditionelle rote Jacken zu dunklen Hosen.

Die Granatäpfel sind (fast) reif!

Paifang (Torbogen) am Eingang:

Noch mehr Bilder vom Lamatempel, u.a. auch des riesigen Sandelholz-Buddhas, finden sich hier.

Ulrike vom Bambooblog erzählt hier von ihren Eindrücken, aber auch viel zur Geschichte.

Durch die Hutongs

Zum Glück hat eine der anderen einen Location-Pin vom „Little Yunnan“ samt Wegbeschreibung und so spazieren wir durch die Hutongs dorthin.

Hier wird auch Mittagspause gemacht.

Das Essen im Little Yunnan ist genauso toll, wie ich es in Erinnerung hab. Und: ich hab jetzt auch einen WeChat-Location-Pin, damit kann ich es künftig leicht wiederfinden. Jetzt fehlt nur noch der Besuch, den ich dahinschleppen kann…

Nun trennen sich unsere Wege, mit Leihrad, Bus, Bahn oder Scooter machen wir uns alle auf den Rückweg. Aber auch da gibt es noch viel zu sehen.

Chilis werden getrocknet.

Und das sind die ersten Maronen in diesem Herbst. Aber bei 30 Grad verzichte ich lieber – zum Leidwesen des Verkäufers, der etwas abseits im kühleren Laden gewartet hat, und sofort angerannt kommt, sobald er mein Interesse bemerkt.

Hund im Fahrrad- oder Scooterkorb sieht man inzwischen auch ziemlich oft. Und ganz oft ist es auch genau diese Pudelrasse.

 

Besuch tut gut

Etwas Gejammer vorweg

Ich habe neulich bereits angerissen, dass es mir in diesem Sommer so schwer wie noch nie gefallen ist, wieder richtig in Peking anzukommen. Ähnlich ging es einigen anderen Freundinnen hier – auch denen, die erst nach dem extremen Regen zurückgekommen sind. An dem miesen Wetter allein kann das also nicht gelegen haben. Es war auch unabhängig davon, ob man nur „kurz“ oder die kompletten Ferien weg war. Unabhängig davon, ob man Heimat“urlaub“ gemacht hat oder „richtig“ verreist war.

Es kam so einiges zusammen: katastrophale Regenfälle, gleich dreimal ein kaputter Boiler, ausgefallene Kühltruhe im Supermarkt (und damit verbunden die sonst meist verdrängte Sorge um Lebensmittelqualität, Frische, Haltbarkeit), mein mangelhaftes Chinesisch, das Verkehrschaos, herumfliegender Müll, dazu mit Herz und Kopf noch bei den Lieben in Deutschland und, und, und…

Mich haben solche Kleinigkeiten aus der Bahn geworfen wie das Nichtvorhandensein von schlichter, normaler Sahne (sondern nur solcher mit zwölfunddreissig Zusatzstoffen), die ich für die von Junior gewünschte Geburtstagstorte brauchte.

Es ist anders, nicht besser, nicht schlechter, einfach nur anders!

Eigentlich war ich doch längst, fast von Anfang an in dem Stadium „manches ist hier halt so, wird schon gehen“. Der Satz „Es ist anders, nicht besser, nicht schlechter, einfach nur anders!“ war mein Mantra, auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass hier wie dort manches subjektiv und auch objektiv besser (oder schlechter) ist. Und doch hat jetzt, nach über drei Jahren, plötzlich beinah alles genervt.

Zum Glück überstanden

Jetzt ist es bei mir wieder besser. Und das scheint nicht (nur) daran zu liegen, dass uns der Alltag mit all den vielfältigen Aktivitäten wiederhat, was mir schon Spaß macht und auch den Jungs. Noch ist das Schuljahr so frisch, dass die Jungs begeistert bei der Sache sind. Auf die Frage „Wie war’s?“ kommt derzeit ein Wortschwall – das ist noch anders als das übliche „gut“. Freut mich für die zwei.

Buddhastatue

Buddhastatue aus einem einzigen Stück Sandelholz, 26 m hoch, davon 8 m unter der Erde

Ich glaube, dass ich mich wieder richtig wohl fühle, hängt vor allem mit unserem aktuellen Besucher zusammen. Der ist zum Glück sehr selbstständig, fügt sich prima ins Familienleben und unseren Alltag ein, macht viel allein – aber unternimmt auch gelegentlich etwas mit uns/mir zusammen. Ein Schlüsselerlebnis war für mich letzte Woche ein Ausflug in den Lamatempel mit ihm. Geschlagene zwanzig Minuten stand er in der letzten Halle und war total geflasht von dem großen Sandelholzbuddha, der ja zweifelsohne sehr beeindruckend ist. Aber so offensichtlich begeistert war bislang kein Besuch! Und diese Begeisterung zieht sich durch. Und das tut mir gut.

Begeisterung steckt an

Ich sehe Peking ein wenig durch seine Augen, nehme das Andere, das Exotische, das Beeindruckende stärker wahr. Peking ist für mich in den vergangenen drei Jahren mein Zuhause geworden, Peking ist Alltag und nichts Besonderes mehr, vor allem, weil es ja allen Freundinnen, Nachbarinnen und Bekannten hier so geht (mal abgesehen von den ganz frisch Angekommenen vielleicht).  Aber gleichzeitig stellt mich und alle Expats der Pekinger Alltag doch vor andere Herausforderungen als daheim in Deutschland, und ich habe in den letzten Wochen eher die Schattenseiten gesehen.

Da tat es gerade unglaublich gut, Peking etwas durch die Augen unseres Besuchers zu sehen, mir bewusst zu machen, dass Peking für uns eben doch besonders ist – was zwar anstrengende Seiten hat, aber eben auch viel Schönes, Außergewöhnliches. Für viele Menschen ist eine zweiwöchige China-Rundreise mit 2-3 Tagen in Peking ein „Once-in-a-lifetime“-Erlebnis: einmalig, besonders, ein Highlight. Und ich bin in der privilegierten Situation, dass ich so viel Zeit auch für abgelegenere Sehenswürdigkeiten habe, die den Reisenden schlichtweg fehlt.

Als ich letzte Woche neben dem jungen Mann vor der riesigen Statue stand, nur ein bisschen Weihrauch-benebelt, durchströmte mich endlich wieder das Glücksgefühl, tatsächlich hier zu sein und all diese Erfahrungen machen zu dürfen.

Achja – als vorgestern erst gar kein und später nur matschbraunes Wasser aus den Leitungen kam, hat mich das nicht wieder zurückgeworfen. Und für den Besuch war es auch interessant zu sehen, dass hier eben doch vieles anders ist. Tief überstanden!

Fotos