Die Liebe in den Zeiten der Corona-Seuche
Ich bin jetzt Schwiegermutter…
…und das nicht mehr „quasi“ oder umständlich umschrieben: Unser Mittlerer hat geheiratet.
Meine schlechte Laune und Niedergeschlagenheit wurde immer schlimmer, je näher die Hochzeit rückte. Bis vor ein paar Wochen hatte ich noch auf irgendein Wunder gehofft, das aber nicht eingetreten ist. Vom Verstand her war die Entscheidung völlig klar und richtig: Die Hochzeit eines Kindes ist zwar ein Ereignis im Leben, dass man auf gar keinen Fall verpassen möchte. Aber wenn man Verantwortung für zwei minderjährige Kinder trägt, deren Abi gefährdet wäre, wenn China einen nach einer Covid-Infektion (die in Deutschland derzeit ja kaum zu vermeiden ist) nicht wieder einreisen lässt, dann geht das vor. Ich kann diese Entscheidung richtig finden und trotzdem traurig deswegen sein, und bis zur Hochzeit habe ich heftig damit gehadert.
Letzte Woche war es nun soweit. Per Skype waren wir am Freitag mit dabei im Standesamt und am Samstag bei der großen Feier – wovon wir wegen der Zeitverschiebung einiges verpasst haben. Das Wichtigste wurde uns aber per Video nachgereicht. Auch an dieser Stelle noch mal ein herzliches Danke an meine Schwester, die das übernommen hatte.
Die Trauung war wundervoll und romantisch, und wir haben uns trotz der großen Entfernung ganz nah gefühlt. Und wir haben es hier auch ordentlich krachen lassen und das Brautpaar gefeiert.
Am Sonntag nach der Hochzeit ging es mir besser. Das Hadern hatte endlich ein Ende. Rückblickend ist es nun mal nicht mehr zu ändern, das macht es für mich einfacher, jetzt wieder im Hier und Jetzt zu sein und nach vorne zu gucken.
Was dann aber nicht nötig gewesen wäre, um im Nachhinein zu bestätigen, dass die Entscheidung, nicht zu kommen, richtig war: am Dienstag nach der Hochzeit gab es eine Handvoll positiver Coronatests – obwohl alle Gäste vorab negativ getestet hatten. Zum Glück sind inzwischen alle auf dem Weg der Besserung. Das ist jetzt wirklich ein bisschen bekloppt, aber spätestens jetzt habe ich meinen Frieden damit gemacht, dass wir in Peking geblieben sind.
Meine Schwiegertochter und mein Sohn müssen aber damit rechnen, dass ich sie sehr, sehr lange drücken und knutschen und knuddeln werde, wenn wir uns endlich richtig wiedersehen. Die anderen Kinder samt Anhang aber auch.
Spaziergang in Xicheng
Mit einer Freundin habe ich mich am Shichahai zum Spazierengehen verabredet. Statt meiner üblichen Runde sind wir vom See weg weiter in Richtung Westen gelaufen – an etlichen historischen Punkten vorbei.
Und natürlich auch ganz normales Pekinger Hutongleben.
In diesem Fenster spiegelt sich der See. Ich finde das cool.
Es grünt und blüht
Der Lotus blüht. Notiz an mich: auf zum Alten Sommerpalast.
Wir umrunden die Residenz von Prinz Gong, die derzeit noch geschlossen ist. Ab Montag soll „alles“ wieder öffnen, aber Achtung: die meisten Museen und Sehenswürdigkeiten haben montags geschlossen.
Am Nordende der Residenz befindet sich die Chinesisch-katholische patriotische Vereinigung, hier können wir aber nur durchs Tor gucken: kein Zutritt.
Ab und zu muss ich schauen und knipsen, was hier so blüht – und das dann später nachschlagen (oder vielleicht sollte ich mir doch mal eine Bestimmungsapp aufs Handy laden?). Jedenfalls handelt es sich bei diesem hübsch blühenden Gewächs um die Chinesische Lagerströmie oder auch Kreppmyrte.
In diesem Viertel finden sich zahlreiche kleine und größere Residenzen, derzeit alle geschlossen, manche sind wohl auch grundsätzlich nicht zugänglich. Und dazwischen immer wieder ganz normales, sommerliches Hutong-Leben.
Grundsätzlich finde ich es richtig, Corona nicht einfach durchrauschen zu lassen. Aber manches ist dann einfach auch nur absurd, wie hier das lustlose herumsprühen von Desinfektionsmittel. Draußen. Auf den Boden. Warum? Okay, jetzt sehe ich gerade, dass das ein Gullideckel ist. Das Gerücht, dass Covid auch über Abwässer übertragbar ist, hat hier tatsächlich die Runde gemacht.
Es ist Mittagszeit, die Sonne knallt, Zeit für eine kleine Pause in der Huguosi Street. In diesem Restaurant gibt es großartige „crispy eggplants“, das Kungpao Chicken wird mit Litschi gepimpt – auch lecker. Die Klimaanlage läuft auf Hochtouren, es ist eiskalt, zum Glück hab ich daran gedacht, ein Tuch einzupacken, in das ich mich einwickeln kann.
Die Pause hat gut getan. Und so langsam müssen wir auch umdrehen, denn wir sind zum Zoomen mit Freundinnen verabredet, dazu wollten wir uns ins Café Zarah setzen.
In der Huguosi Street gibt es jede Menge Restaurants und Geschäfte – und das „Mei Langfang Memorial“, das allerdings gerade geschlossen ist. Mei Langfang (1894-1961) war einer der großen Stars der Peking-Oper, berühmt für seine Verkörperung von Frauenrollen. Ich kann mit Peking-Oper eigentlich nicht so viel anfangen, aber jetzt bin ich froh, dass meine Freundin mich darauf aufmerksam gemacht hat. Das Memorial werde ich mir doch ansehen, wenn es wieder geöffnet ist, denn der Wikipedia-Eintrag macht mich neugierig: „In July 1937, the Marco Polo Bridge Incident occurred, and the Imperial Japanese Army soon occupied Beijing. The commander of the Japanese Army ordered Mei to perform for them and appointed Mei to a high rank official position. But Mei refused to sing throughout the duration of the war and endured an impoverished lifestyle until the war ended in 1945.“
Es gibt aber auch sonst soviel zu entdecken und dazu natürlich das Hutong-Leben und der Hutong-Verkehr.
Ein Stückchen weiter, in der Dingfu Street, müssen wir uns mit der Health App registrieren. Kurz hinter dem Kontrollpunkt findet sich dieses Stilleben:
Auch hier gibt es zahlreiche historische Stätten, an denen man einfach so vorbeigeht, wie zum Beispiel die frühere Fu Jen Catholic University (die seit 1961 ihren Sitz in New Taipeh City hat).
Zu den Pekinger Hutongs gehören auf jeden Fall die Tauben samt Taubenschlägen.
Schließlich sind wir zurück am See – und hier hat es gekracht. Der LKW hat wohl den kompletten Vorbau und ein Teil des Dachs von der Bar direkt an der Yinding Brücke mitgenommen. Die Aufregung hier war echt groß.
Blick von der Brücke in Richtung Berge (im Norden).
Und Blick zurück auf die Unfallstelle. Zum Glück nur Sachschaden.
Auch wenn wir schon spät dran sind für unsere Zoom-Verabredung, durch die Tobacco Pouch Street müssen wir unbedingt gehen.
Dann trennen sich unsere Wege kurz, ich geh zurück zum Feuergott-Tempel (derzeit geschlossen wegen Renovierung), wo ich meinen Scooter geparkt habe, meine Freundin schwingt sich direkt auf ein Leihfahrrad.
Zoomen im Café
Im Café angekommen starte ich als erstes das Zoom-Meeting, dann kann ich mich der Kaffee-Karte widmen. Ich starte mit Iced Coconut Mint Coffee – erfrischend, danach wechsle ich auf Vietnamesischen Eiskaffee. Da könnte ich mich reinlegen… Wir schwätzen zwei Runden (kostenlos ist ja immer auf 40 Minuten begrenzt) mit Freundinnen in Deutschland, beide erst kürzlich dorthin zurückgekehrt. Und das ist wirklich schön, dass es uns gelingt, den Kontakt auch so zu halten.
Dann sind wir aber wirklich platt, in der Mittagshitze so lange spazieren zu gehen, hat Spuren hinterlassen. Wir verabschieden uns, ich schwinge mich auf den Scooter und tucker nach Hause.
Auch auf dem Rückweg gibt es echt viel zusehen, sei es das kleine gelbe Transformer eCar…
… oder „Papageno“, der hier am Straßenrand eine Pause macht – oder auf Kunden und/oder Bekannte wartet? Alle paar Tage fahre ich an ihm vorbei, inzwischen darf ich ihn auch mal fotografieren und wir wechseln ein paar Worte. Heute sieht er mich nicht, aber ich freu mich trotzdem, ihn gesehen zu haben.
Zuhause angekommen bin ich dann aber nur noch erledigt. Ich schütte Wasser in mich hinein, versorge den schmalen Streifen auf meiner Schulter, der zu wenig Sonnencreme abbekommen hatte, dann döse ich eine Runde auf dem Sofa, chatte kurz mit dem frisch gebackenem Ehemann und geh anschließend ins Bett.