Peking, next level
Wir sind umgezogen. Von „Draussen“ nach „Drinnen“. Wir hatten die lange Fahrerei mehr als satt, on top kam dann noch eine unangemessen drastische Mieterhöhung, und so haben wir das große Haus im – relativ – Grünen in Shunyi gegen eine kleinere Hochhauswohnung in Chaoyang getauscht (aber immer noch groß genug, um auch Besuch beherbergen zu können).
Aus unserer Ausländerblase mit dem auf Westler ausgerichteten Umfeld (Shops, Restaurant, fast alles überall englischsprachig) sind wir nun mitten in die Stadt gezogen, nur 10 Minuten Fußweg von der Schule weg. Für Familien mit kleineren Kindern ist River Garden großartig, aber für meine Teenager-Jungs spielt sich das Leben nun doch mehr in der Stadt und rund um die Schule ab. Hier haben wir auf der einen Seite das Botschaftsviertel, auch hier gibt es auf Ausländer eingestellte Läden und Restaurants, auf der anderen Seite ist es „chinesischer“ mit Nudelsuppenrestaurants, Jiaozi-Lädchen, 24-Stunden-Shops…
Und überhaupt ist nun alles viel dichter dran und leichter zu erreichen. Jeden Tag fast zwei Stunden Fahrzeit zu sparen ist doch ein erheblicher Gewinn an Lebensqualität vor allem für die drei Männer, aber auch für mich. Ich habe mich halt in den letzten Monaten immer häufiger gegen die lange Fahrt für ein-zwei Stunden Verabredung/Veranstaltung/… entschieden. Am Anfang, als alles in Peking noch neu war und ich die ganze Fahrt über mit der Nase an der Scheibe geklebt habe, kam mir die Fahrt noch nicht so endlos vor. Inzwischen ist es aber einfach nur noch lästig geworden.
Etwas Wehmut
Natürlich bin ich auch wehmütig, wir waren dort vier Jahre sehr glücklich, River Garden hat uns das Ankommen in China leichter gemacht (auch wenn es auf Westler ausgerichtet ist, es ist immer noch eine komplett andere Welt mit unzähligen Herausforderungen). Besonders auch die Menschen, die die Nachbarschaft ausmachen, werde ich vermissen (wobei wir/sie ja nicht aus der Welt sind, man lebt ja immer noch in der gleichen Stadt – nur das Spontane und Zufällige, das gibt es nun nicht mehr).
Als unsere finnischen Freunde vor zwei Jahren nach Helsinki zurückgekehrt sind, war es schon ein herber Einschnitt. Und jetzt zieht meine Freundin mit ihrer Familie nach Shanghai, dann ist es erst Recht nicht mehr das Gleiche. Von daher war jetzt aus vielen Gründen der richtige Zeitpunkt.
Wenn ich jetzt aus den Fenstern sehe, ist es zwar nicht mehr so grün, aber in die eine Richtung können wir bei guter Luft die Berge sehen, und unter uns tobt das Stadtleben. Dabei ist es im alten Haus inzwischen auch nicht mehr so grün: „meine“ Weide wurde gefällt, deren Äste stießen schon länger an die Dächer der umliegenden Häuser, und dann ist ein großer Dachziegel auf den Platz gefallen, auf dem ich immer draußen gesessen habe – hätte ich nicht gerade meinen Jetlag ausgeschlafen, wäre das übel ausgegangen. Warum man nicht einfach nur die jeweiligen Äste abgesägt hat, sondern gleich zwei komplette Bäume gefällt hat, entzieht sich meiner Kenntnis, war mir angesichts des bevorstehenden Umzugs aber auch nicht mehr so wichtig.
Abenteuer Wohnungssuche
Die Wohnungssuche war abenteuerlich. Trotz klarer Ansage waren doch immer zu kleine Wohnungen dabei. Oder mir wird eine passende Wohnung im schönen Compound gezeigt – und plötzlich ist sie doppelt so teuer wie wir maximal zahlen wollten. Oder die Fotos sind nett – aber seit Jahren leerstehend und nach toter Katze stinkend. Oder eingerichtet wie ein Sperrmüll-Lager (oder einfach nicht unser Geschmack).
Eigentlich hätten wir gerne in einem Courtyard in einem Hutong gewohnt. Der erste, den wir uns angeschaut haben, war toll, da wäre ich sofort eingezogen, entzückender Innenhof und Dachterrasse – nur lag er auf der falschen Seite der Verbotenen Stadt und damit wieder weit weg von der Schule. Und wir wollten doch die Fahrzeit verkürzen! Leider blieb das der einzige Courtyard, der ausreichend groß war.
Ich wäre gerne in einen Compound südlich des Chaoyang-Parks eingezogen, direkt an der U-Bahn, sehr hübscher gepflegter Garten. Da war eine Wohnung mit großartigem Blick: auf der einen Seite über den Park, auf der anderen Seite Richtung CBD – leider wollte der Vermieter die ollen Möbel „Chinesisch-Barock“ nicht austauschen, also wurde das nichts. Eine an sich tolle Wohnung wurde mir gezeigt, da hätte man einen Flügel mitmieten müssen. Dagegen hätten wir nix gehabt, nur gegen den restlichen Plüsch-Schnörkel-Möbelkram.
Ziel erreicht
Ich war schon ziemlich frustriert, als wir dann endlich „unsere“ Wohnung gefunden haben. Gut gelegen, groß genug, ok, die Miniküche ist ein Kompromiss. Aber bei dieser Wohnung mussten wir die wenigsten Kompromisse machen. Unser Ziel, die Fahrzeit drastisch zu verkürzen, haben wir erreicht: die Jungs können zur Schule laufen, überhaupt ist vieles jetzt fußläufig erreichbar – oder in erheblich weniger Fahrzeit. Jetzt am Montag sind wir eingezogen – und es gefällt uns jetzt schon sehr, obwohl es ein paar Start-Problemchen gab. Dazu im nächsten Beitrag mehr.