Winter im Sommerpalast
Mit der Fotogruppe geht es in den Sommerpalast. Es ist ein knackig kalter Wintertag, morgens noch grau und mit mäßigem Smog, aber später am Vormittag sollen die Luftwerte dank Wind aus der richtigen Richtung gut werden. Es gibt sogar eine „blaue Landsturmwarnung“ (blau ist die niedrigste von vier Warnstufen), der ich dusseligerweise keine Beachtung schenke, denn ich arbeite ja nicht als Fensterputzerin oder auf einem hohen Gerüst.
Wir sind nur zu dritt (interessante parallele Veranstaltungen und viele noch/schon verreist) und teilen uns ein Taxi ab der Schule. Die Straßen sind leer und wir sind in noch nicht einmal einer halben Stunde am Nordtor des Sommerpalasts – Rekordzeit. Sofort stürzt sich ein Baoan auf uns und zeigt uns eine Infotafel, wo wir den QR-Code scannen sollen, um die Tickets zu kaufen. Ich habe das Sommerpalast-Miniprogramm bereits und bin schon im System, aber der Mann ist unsicher und winkt eine weitere Mitarbeiterin zu uns. Beide sind wirklich nett und hilfsbereit, aber auch so klappt alles problemlos. Anlässlich der Feiertage zahlen wir nur den halben Preis (25 statt 50 RMB) – das hätte ich nicht gewusst. Kein Messen der Temperatur mehr, kein Scannen des Healthcodes, nur noch den QR-Code der Tickets vorzeigen und wir sind drin.
Suzhou-Market-Street
Der Nordeingang ist der Eingang direkt an der Suzhou-Street. Hier stürzt sich wieder ein Mann auf uns und will uns hier aufs Eis locken. Rückblickend wäre das eine gute Sache gewesen, aber unser Plan ist es, erst auf den Hügel hinauf zu klettern, dann hinunter in Richtung Marmorboot, durch den langen Korridor am See entlang bis hin zur 17-Bogen-Brücke und als abschließender Höhepunkt aufs Eis des Kunming-Sees.
Wir gehen also weiter. Ich bin zwar im Wesentlichen wieder fit, aber bei den Stufen bergauf bin ich doch noch kurzatmiger als normalerweise. Aber das ist dann auch das Einzige, was ich noch von Covid übrig habe, ansonsten bin ich endlich wieder ganz gesund, keine komischen Husten- oder Schwächeanfälle mehr, es ist also endlich überstanden.
Zu Schauen gibt es mehr als genug, zum Beispiel die Dachreiter auf den zahlreichen Pavillons und Hallen.
Das Marmorboot
Wir erreichen das Marmorboot. Noch ist es grau und zusammen mit dem Gegenlicht kann das Marmorboot auch mal ganz düster wirken. Die Holzaufbauten wirken aber tatsächlich schäbiger als früher, hier stehen sicher bald Renovierungsarbeiten an.
Wir spazieren durch den langen Korridor, machen eine kleine Kaffeepause, das wärmt von innen. Es ist wirklich bitterkalt. So langsam wird es windig, aber noch sind wir im geschützten Bereich der Innenhöfe. Die Bäume sind mit Hunderten von roten Mini-Laternen geschmückt und zu meiner großen Freude sehe ich den Wimpel einer Touristengruppe. Dass die einem mal fehlen würden bzw. dass man sich so freut, dass die endlich wieder da sind…
See und Eis
Wir spazieren weiter am See entlang und haben wirklich tolle Aussichten über den See hinüber zum Langlebigkeitshügel und den historischen Gebäuden.
Inzwischen ist es deutlich windiger geworden, das Grau verschwindet. Wir nähern uns erstmal der 17-Bogen-Brücke, überqueren diese und schlendern über die Insel.
Nun geht es aufs Eis. 100 RMB pro Person sind für Zugang plus Eisfahrrad zu berappen. Wir schlittern drauf los, setzen uns auf die Eisräder – und dann stellt sich rasch heraus, dass das angesichts der teils heftigen Windböen eine nicht ganz so kluge Idee gewesen ist. Eigentlich wollten wir kreuz und quer über den See und schließlich an der Nordost-Ecke zurück an Land. Uneigentlich mussten wir gegen den Wind anradeln – und sind praktisch nicht vorwärts gekommen. Kein Vergleich zum letzten Jahr, wo ich kreuz und quer über den gefrorenen See sausen konnte.
Das Gefühl, dass es so toll ist, hier zu sein und das erleben zu können, hält nur kurz an, denn wir merken rasch, dass es bei den heftigen Windböen nicht ganz ungefährlich auf dem Eis ist. Herrenlose Schlitten und Räder sausen mit hoher Geschwindigkeit übers Eis – wenn die einen treffen, könnte das nicht nur weh tun, sondern einen ernsthaft verletzen. Aber auch wir selbst werden vom Wind in Richtungen getrieben, in die wir gar nicht wollen, da hilft es nicht mal, sich mit den Füßen gegen das Eis zu stemmen.
Als eine von uns sieht, dass ein Mann stürzt und zunächst nicht wieder aufsteht, ist es kein lustiges Abenteuer mehr, wir entschließen uns abzubrechen. Wir geben die Räder ab und schlittern vorsichtig zurück an Land. Wir sind gerade auf der Rampe, als wir sehen, dass hinter uns das Eis geräumt wird. Tickets werden auch keine mehr verkauft. Also wieder was gelernt: auch die „harmlosen“ blauen Warnungen haben ihren Sinn – und künftig bei heftigen Windböen nicht mehr aufs Eis.
Unterm Strich war es dennoch ein toller Ausflug. Es bleibt ja noch eine ganze Zeitlang frostig, vielleicht gönne ich mir das (Eis-)Vergnügen doch noch mal, sonst spätestens im nächsten Jahr wieder. Ansonsten bin ich spätestens im Frühling wieder im Sommerpalast.