Nach dem Sandsturm: Am Houhai
Ich glaube, ich hab noch nicht ausreichend viel über die lange Phase schlechter Luft gejammert. Höhepunkt (und hoffentlich auch erstmal Schluss) war am Montag der heftigste Sandsturm, den Peking in den letzten 10 Jahren gesehen haben soll. Ich hab in WeChat-Momenten und Co. viele eindrucksvolle Bilder gesehen. Ich hingegen hab nur mal fix aus dem Fenster geknipst, die nächste Kopfschmerztablette gegessen und gehofft, dass es bald überstanden ist. An Rausgehen jedenfalls nicht zu denken.
Unweigerlich musste ich mal wieder an den Film Interstellar denken… Fiktion, ich weiß. Doch das weltweite Corona-Desaster macht nicht gerade Hoffnung, dass die Menschheit den Klimawandel noch rechtzeitig abmildern kann. Trübe Sicht macht trübe Gedanken.
Nichts wie raus
Gestern war der Spuk überstanden, nichts wie raus. Erst hab ich an den Jingshan-Park gedacht, aber als ich am Shichahai vorbei kam, hat mich nichts mehr gehalten: runter vom Scooter und loslaufen. Jingshan läuft nicht weg, wird in gut zwei Wochen mit der Pfingstrosenblüte eh noch interessanter.
In der Stadt ist jedenfalls viel los, nach dem Sandsturm zieht es wohl alle raus. Auch am See ist noch mehr los als vor drei Wochen. Die ersten Boote liegen bereits am Steg, und es sind viel mehr Rikschas unterwegs.
Oh Schreck, ein Unfall
Ich laufe am Ostufer entlang. Als ich kurz vor der Brücke bin, die den Shichahai vom Houhai trennt, kracht es, lautes Schimpfen. Puh, Schimpfen ist immer besser als Schreien oder Weinen. Eine Radlerin ist mit einem Kuaidi-Scooter (kuàidì – 快递 – Expresslieferung) zusammengestoßen, der Scooterfahrer liegt am Boden, ist aber im Begriff aufzustehen und schimpft dabei wie ein Rohrspatz. Ich geh‘ zügig weiter und hoffe, dass auch der Scooter heilgeblieben ist. Hat mir schon einen Schrecken eingejagt. Ich wäre ja durchaus in der Lage, vernünftig Erste Hilfe zu leisten, aber es wurde immer davon abgeraten, sich als Ausländerin irgendwo involvieren zu lassen, weil man am Ende haftungspflichtig werden könnte. Zum Glück musste ich mich einem solchen moralischen Dilemma hier noch nicht stellen, habe mir aber vorgenommen, die aktuelle Lage herauszufinden; es hieß vor einiger Zeit, das entsprechende Gesetz solle geändert werden.
Ich setze meinen Spaziergang fort. Am Houhai ist die Stimmung friedlich und fröhlich, so dass der Unfall schnell aus meinen Gedanken verschwindet. Zu sehen gibt es jedenfalls mehr als genug.
Neu renovierte Häuser …
… und vernachlässigte Bruchbuden.
Nun bin ich an dem kleinen Parkabschnitt am Wanghai Tower, der nur tagsüber geöffnet ist.
Die Pekinger Schwimmer
Von hier aus kann ich schon die mutigen? verrückten? definitiv sportlichen Männer sehen, die im See schwimmen gehen.
Egal wie heiß (dafür hätte ich mehr Verständnis) oder kalt es ist: sie gehen das ganze Jahr über schwimmen. Das Wasser sieht relativ klar aus, aber es schwimmt jede Menge Müll drin herum. Durch die Absperrung (hinter der weißen Balustrade) lassen sie sich auch nicht abhalten. Die Schilder „no swimming“ sind ebenfalls nur nutzlose Deko. Später auf meinem Rückweg spielen die Schwimmer – immer noch nur in Badehose – Fuß-Federball. Wir haben „mollige“ 15 Grad (angenehm nach dem langen kalten Winter, aber definitiv kein Badehosenwetter!).
Ich entdecke noch einen anderen Schwimmer…
Eigentlich hatte ich vor, mindestens den Houhai, vielleicht aber auch noch den anschließenden Xihai zu umrunden.
Aber dann stehe ich vor einer Sehenswürdigkeit. Offenes Tor, Garten, ein Wandelgang. Erst als ich das Ticket gekauft habe, weiß ich: das ist die Residenz von Song Qingling.
Die besichtige ich dann auch ausgiebig, davon erzählen werde ich aber erst morgen. :)
Update am 18.3.2021:
Gesagt, getan: Hier geht es zur Residenz von Song Qingling.
Fotos