Virus, Schulschließung und Alltag

Die Pekinger Luft ist derzeit so mies wie schon länger nicht mehr. Die schlechte Sicht passt aber auch zur Stimmungslage: stochern im Nebel. Wir verfolgen weiterhin aufmerksam die Nachrichten, versuchen die Spreu vom Weizen zu trennen: was klingt nicht nur, sondern ist auch seriös? Offensichtliche Fakes lassen sich in der Regel schnell entlarven, wie beispielsweise das unsägliche Video eines Trolls, der sich „Odysseus“ nennt. 

Zahlen von heute 17 Uhr: 4.599 bestätigte Fälle, 6.973 Verdachtsfälle. 68 erholt, 106 Tote. Davon in Peking: 91 bestätigte Fälle, 2 erholt, 1 Toter.

Wie wir derzeit von den Auswirkungen der Krise betroffen sind

Ja, inzwischen macht sich doch auch Verunsicherung breit. Noch habe ich weniger Angst davor, dass einer von uns krank wird, aber es sind doch mittlerweile Auswirkungen, die unser Leben hier konkret beeinflussen.

Bei solchen Luftwerten wie heute habe ich immer Kopfschmerzen, aber heute habe ich sicherheitshalber zum Fieberthermometer gegriffen. Alles gut, aber die selbst verordnete Coolness bekommt doch Risse.

Aktuell würden wir wegen des Smogs eh nicht viel unternehmen, aber für unseren Besuch ist es schon extrem schade, dass die meisten Sehenswürdigkeiten geschlossen sind. Bisherige Schließungen und Maßnahmen finden sich hier.

Leere Regale: CNY meets Virus

Dass Gemüse- und Obstregale in den Geschäften nach dem Neujahrstag relativ leer sind, war jedes Jahr so. Aber jetzt fragt man sich halt doch, ob und wann neue Ware geliefert wird. Als vorhin unser Compound-Shop auf WeChat gepostet hat, sind wir direkt runter und haben unsere Vorräte aufgestockt – damit waren wir nicht die einzigen. Was er allerdings nicht mehr hat: Trinkwasserkübel. Und die kämen erst in etwa einer Woche wieder. Auch wenn es noch andere Quellen gibt, ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass mich das nicht beunruhigt.

Dem German Food Center habe ich einen Besuch abgestattet und ein kleines Vermögen da gelassen. Nun ist der Gefrierschrank voll. Frisches Brot war schon ausverkauft, die letzten Brötchen und Brezeln habe ich ergattert. Abgepacktes Vollkornbrot haben wir noch, hungern müssen unsere nimmersatten Teenagerjungs nicht. 

Unterwegs hatte ich meine Maske auf. Schnell wird es unangenehm warm darunter, so dass ich als ich über die weitgehend leeren Straßen gefahren bin, sie runtergezogen habe und erst vor Betreten des Ladens wieder aufgesetzt hab.

Das Compound-Management hat mitgeteilt, dass Lieferanten nicht mehr hineinkommen dürfen, sondern draußen am Tor warten müssen und man dort nach telefonischer Kontaktaufnahme seine Lieferungen selbst abholen muss. Im fernen Deutschland mag man vielleicht „ja, und?“ dazu sagen. Aber die Lieferanten hier prägen das Stadtbild, Onlineshopping und Essen bestellen gehört zum Alltag, dass man seine Waren und sein Futter innerhalb kürzester Zeit an die Wohnungstür geliefert bekommt ist hier eine der Selbstverständlichkeiten, an die wir uns auch schon lange gewöhnt haben. Bemerkenswert finde ich in der Nachricht die Durchhalteparolen:

Let us unite as one. We will do a good job in the prevention and control of this epidemic and build a happy and peaceful home.

Das „Grand Summit“ mit seinen Büros, aber auch Restaurants und Läden hat geschlossen, aktueller Stand: vermutlich bis zum 3. Februar. 

Schule ist geschlossen bis mindestens zum 17.2.2020

Eben kam folgende Mail von der Schule:

Liebe Eltern,

ich möchte Sie über die Entscheidung des Vorstands und der Schulleitung zur aktuellen Situation informieren.

In Abstimmung mit den lokalen Behörden und der Botschaft sind wir zu der Entscheidung gelangt, dass die Wiedereröffnung der Schule bis auf Weiteres verschoben wird. Von einer Schließung bis mindestens zum 17.02. ist auszugehen.

Ein genauer Wiedereröffnungstermin steht auch auf Grund der Dynamik der Corona Virus Situation noch nicht fest. Langjährige Erfahrungen mit chinesischen Stellen zeigen aber, das eventuelle Änderungen kurzfristig mitgeteilt werden.

Bis zur Wiedereröffnung werden sowohl der Schul- als auch der Kindergartenbetrieb im vollen Umfang, inklusive aller Nachmittagsaktivitäten, AGs, Abendveranstaltungen und sonstiger Aktivitäten (so zum Beispiel auch der Elternsprechabend) eingestellt.

Bitte bedenken Sie, dass dies keine Verlängerung der Ferien darstellt. Vom 03.02.2020 an werden alle Schüler online mit Aufgaben und Lerninhalten versorgt.

Für Schüler der Klassen 1 bis 6 wird dies über das EIS (Elterninformationssystem) erfolgen. Für Schüler ab der Klasse 7 wird dies über Office 365 geschehen.

Entsprechende Anleitungen für Eltern und Schüler werden Ihnen in Kürze zugehen.

Für das anstehende Abitur befinden wir uns im Moment in der Abstimmungsphase mit den Behörden vor Ort, der KMK (Kultusministerkonferenz), der ZfA (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen) und den anderen deutschen Schulen in der Region.

Wir versuchen unser Möglichstes, die bereits bekannt gegebenen Termine beizubehalten und eine Sondergenehmigung zur Durchführung der schriftlichen Abiturprüfungen zu erhalten.

Die Abiturienten werden sobald eine Lösung gefunden ist über das weitere Vorgehen informiert.

Die Schulschließung soll u. a. vorgenommen werden, um vor Ansteckung bei großen Menschenansammlungen zu schützen und um Fälle mit Coronavirus innerhalb der Ansteckungszeit zu erkennen.

Um dies zu gewährleisten wurde von der Erziehungskommission und der chinesischen CDC (Center for Disease Control and Prevention) angeordnet, dass alle Schüler, die vor kurzem nach Wuhan oder in die Provinz Hubei gefahren sind oder in Kontakt mit solchen Personen waren, der Schule Namen, Vorname, Klasse und Zeitraum der Fahrt bzw. des Kontakts mitteilen müssen. Bitte senden Sie im Falle, dass Ihre Kinder betroffen sind, eine Mail mit den entsprechenden Angaben an info@dspeking.cn.

Der Jubel der Söhne ging unter nach dem Abschnitt, dass es sich um keine Verlängerung der Ferien handele und sie ab kommenden Montag online mit Aufgaben versorgt werden.

In der Mail geht es weiter mit Informationen des Botschaftarztes:

Hierzu eine kurze Stellungnahme des Botschaftsarztes Dr. Schmidt:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Eltern,

die entschlossene Reaktion der chinesischen Behörden auf den Ausbruch eines neuartigen Corona-Virus in der Hubei Provinz, die landesweit zu einer erheblichen Einschränkung im Öffentlichen Leben führten und

noch weiter führen werden, soll die Weiterverbreitung dieses unbekannten Erregers eindämmen und mithelfen, die Erkrankungszahlen außerhalb von Wuhan klein zu halten.

Mit der Entscheidung zur Suspendierung des Schulbetriebs trägt auch die Deutsche Botschaftsschule Peking mit dazu bei, die Situation kurz- bis mittelfristig unter Kontrolle zu bekommen.

Bitte beachten Sie in den nächsten Tagen insbesondere die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts, die unter Mitarbeit eines eingerichteten Krisenstabs hier in Peking als auch

in Berlin (Auswärtiges Amt) erstellt und regelmäßig zur Lage aktualisiert werden. Bitte sehen Sie hier: https://china.diplo.de/cn-de/aktuelles/neuigkeiten/-/2295084

Ich stehe Ihnen gerne für weitere medizinische Informationen und Anliegen zur Verfügung,

mit freundlichen Grüßen

Dr. Volker Schmidt

Erneut wird auf die Krisenvorsorgeliste „ELEFAND“ und die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes hingewiesen. 

Und unser Besuch?

Der Mittlere und seine Freundin sind gerade hier. Die zwei sind jetzt echt gekniffen, denn eigentlich wollten sie nach dem Familienbesuch bei uns weiter nach Changsha reisen und dort wandern und zwei Wochen später von dort zurück nach Deutschland fliegen. Das ist aktuell leider keine gute Idee mehr, allerdings weigert sich die Airline noch umzubuchen. Ein bisschen Zeit ist noch, wir versuchen es täglich weiter. 

Immerhin: unser Lieblingsrestaurant hat geöffnet, da werden wir dann nachher zum Abendessen hingehen. So ist immerhin ein wesentlicher Bestandteil einer Chinareise gesichert: sich durch die Chinesische Küche durchfuttern.

Tja, so sieht das hier aus. Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, halten uns an die Empfehlungen und hoffen darauf, dass sich das Leben bald normalisiert. Ich werde weiter berichten.

 

 

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2 Kommentare
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4 Jahre zuvor

Danke für Deine informativen Artikel! Die sind für mich eine wichtige Informationsquelle! Und ich verbreite die auf meinen Socialmedia-Kanälen gerne weiter.
Halt die Ohren steif! Vielleicht bietet sich so eine gute Gelegenheit für mehr Quality-Time mit der Familie.
Mich wundert es nur, dass die Luft nicht besser ist, jetzt, wo doch kaum Autos fahren.
Ganz liebe Grüße nach Peking
Ulrike